1. Begriffsdefinitionen
- Rassismus: Es gibt nicht die eine richtige Definition zu Rassismus. Hier sind nun drei unterschiedliche Definitionen aufgeführt. Alle zeigen, dass zu Rassismus nicht einfach die Unterscheidung nach Hautfarbe gehört, sondern ein damit einhergehendes Gedankenkonstrukt, wonach eine Personengruppe einer anderen überlegen ist.
Duden [1]:
- (meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen
- dem Rassismus (1) entsprechende (bewusste oder unbewusste) Einstellung, Denk- und Handlungsweise
- dem Rassismus (1) entsprechende institutionelle, gesellschaftliche o. ä. Strukturen, durch die Menschen diskriminiert werden
- dem Rassismus (1) entsprechende systematische Unterdrückung von Menschen
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz [2]:
Rassismus ist die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie Rasse[*], Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt.
[*] Da alle Menschen der gleichen Gattung angehören, lehnt ECRI Theorien ab, die sich auf die Existenz verschiedener „Rassen” gründen. In dieser Empfehlung verwendet ECRI jedoch diesen Begriff, um sicherzustellen, dass die Menschen, die allgemein und fälschlicherweise als Angehörige einer „anderen Rasse” bezeichnet werden, nicht vom Schutz der Gesetzgebung ausgeschlossen werden.
Soziologe Albert Memmi [3] (allgemeine, in der Rassismusforschung anerkannte Definition):
Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“– Memmi, S. 103 u. 164[42][45][46][47]
- Schwarze Menschen ist eine Selbstbezeichnung und beschreibt eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position. “Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle’ Eigenschaft’, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. So bedeutet Schwarz-Sein in diesem Kontext nicht, einer tatsächlichen oder angenommenen ‘ethnischen Gruppe’ zugeordnet zu werden, sondern ist auch mit der gemeinsamen Rassismuserfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden.” [4]
- “Weiß” und “Weißsein” bezeichnen ebenso wie “Schwarzsein” keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt. Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und sie an einen privilegierten Platz in der Gesellschaft verweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft. [5]
- PoC: Der Begriff People of Color (im Singular Person of Color) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren.[6]
Natürlich wäre es uns lieber, wir wären bereits an einem Punkt, wo auch, wenn mit den Begriffen gesellschaftliche Gruppen, keine biologischen Attribute gemeint sind, wir ganz ohne diese Benennung auskommen könnten. Doch es ist schwierig, Rassismus zu erklären ohne dabei die Probleme, die zu Rassismus führen, zu benennen.
2. Historie
Das Konzept des Rassismus ist noch relativ jung. Doch was wissen wir eigentlich über die deutsche Kolonialgeschichte? Oder die rassistischen Ideologien in der NS Zeit? Um zu verstehen, wie auch unser Denkmuster von rassistischen Motiven geprägt sind, ist es wichtig, sich auch über die historischen Hintergründe im Klaren zu sein. Eine Auffrischung und Ergänzung des Geschichtsunterrichts in der Schule zeigen folgende Artikel und Beiträge:
3. Rassismus oder Ethnopluralismus?
Biologisch ist übrigens widerlegt, dass es unter Menschen Rassen gibt. Dafür sind die Unterschiede in den Genen viel zu gering. Folgende Beiträge bestätigen das:
https://www.quarks.de/gesellschaft/darum-ist-die-rassentheorie-schwachsinn/
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/menschenrassen/42123
Doch längst wurden neue Ideologien entwickelt, um Menschen ideologisch abzuwerten. Ethnie und Kultur werden in der neuen rechten Szene als Grund für den Ausschluss und die Erniedrigung von Menschen genutzt. Das wird unter dem Begriff des Ethnopluralismus zusammengefasst. Welche neuen und alten Konzepte dahinterstecken, werden in folgenden Artikeln erklärt:
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/rassismus-113.html
https://www.demokratie-leben.de/wissen/glossar/glossary-detail/ethnopluralismus.html
4. Rassismus in Deutschland und anderen Ländern
Ja, Deutschland ist nicht die USA und Rassismus kann sich überall anders äußern. Doch worin genau liegen die Unterschiede? Liegt es an der im Vergleich zu anderen europäischen Staaten kürzeren Kolonialgeschichte Deutschlands? Ist es der strukturelle Rassismus, der bei uns anders ist? -z.B. weil die deutsche Polizei eine bessere Ausbildung zur Deeskalation hat. Oder liegt es auch daran, wie in Deutschland über Rassismus geredet wird?
Eine Guten Beitrag zu diesem Thema liefert die Bundeszentrale für politische Bildung:
5. Fazit und wieso wir alle Rassismus persönlich nehmen sollten
Wir erheben mit dieser Sammlung an Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Rassismus ist in seinen Erscheinungsformen vielschichtig. Und er beeinträchtigt das Leben betroffener. Deshalb sollten wir uns alle mit Rassismus auseinandersetzen. Warum wir Rassismus sogar persönlich nehmen sollten erklärt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf ihrer Website:
https://www.amnesty.de/2017/3/1/warum-wir-alle-rassismus-persoenlich-nehmen-sollten
Ein erster Schritt, um Rassismus zu bekämpfen ist, darüber zu reden. Wir möchten unseren Studierenden deshalb eine Stimme geben. Unter dem Motto “Let´s talk about Racism@Uni Stuttgart” teilen wir ihre Erfahrungen mit Rassismus.
Andere Plattformen machen das bereits:
https://www.deutschlandfunk.de/rassismus-als-bildungsthema-niemand-will-darueber-reden-100.html
https://www.sueddeutsche.de/thema/Alltagsrassismus
https://www.amnesty.de/kampagne-gegen-rassismus-deutschland
6. Kritisches Weißsein
In unserer E-Mail an alle Studierenden haben wir probiert, das Konzept “white fragility” zu erklären und davon geredet, dass weiß als Norm verstanden wird. Dieser Teil wurde von einigen kritisiert. Deshalb möchten wir das Konzept dahinter nochmal näher erläutern und uns auf die Diskussion einlassen.
Auch hier möchten wir vor allem journalistische Beiträge teilen, da das Thema zu komplex ist, um es von uns aus zu beleuchten.
Vorwurf 1: durch die Benennung von Zuschreibung von Schwarz und weiß wird Rassismus reproduziert
Zuerst hier nochmal die Wiederholung der Erklärung der Begriffe Schwarz und weiß, wie sie beispielsweise von Amnesty International definiert sind:
Schwarze Menschen ist eine Selbstbezeichnung und beschreibt eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position. “Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle’ Eigenschaft’, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. So bedeutet Schwarz-Sein in diesem Kontext nicht, einer tatsächlichen oder angenommenen ‘ethnischen Gruppe’ zugeordnet zu werden, sondern ist auch mit der gemeinsamen Rassismuserfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden.”
” “Weiß“ und “Weißsein“ bezeichnen ebenso wie “Schwarzsein” keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt. Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und sie an einen privilegierten Platz in der Gesellschaft verweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft. Eine kritische Reflexion von Weißsein besteht in der Umkehrung der Blickrichtung auf diejenigen Strukturen und Subjekte, die Rassismus verursachen und davon profitieren, und etablierte sich in den 1980er Jahren als Paradigmenwechsel in der englischsprachigen Rassismusforschung. Anstoß hierfür waren die politischen Kämpfe und die Kritik von People of Color.”
People of Color / Menschen of Color ist “eine internationale Selbstbezeichnung von/für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Begriff markiert eine politische gesellschaftliche Position und versteht sich als emanzipatorisch und solidarisch. Er positioniert sich gegen Spaltungsversuche durch Rassismus und Kulturalisierung sowie gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft.”
Menschen erfahren Rassismus, das haben die Beiträge der letzten Wochen leider gezeigt. Die Beiträge haben auch gezeigt, dass es in unserer Gesellschaft unterschiedliche Zuschreibungen der Herkunft gibt und diese Zuschreibungen unsere Stellung in der Gesellschaft beeinflussen. Wie schnell finde ich einen Job? Wie schnell eine Wohnung oder ein WG-Zimmer? Wie gut wurde ich in ein Team integriert? Die meisten haben sich über die Fragen noch keine Gedanken gemacht, oder machen müssen. Denn ein Privileg des weißseins ist es, sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, während Personen, die Rassismus erfahren, sich nicht aussuchen können, damit konfrontiert zu werden.
Als kleine Hilfestellung, wie man nun mit verschiedenen Begrifflichkeiten umgehen kann: In dem Anti-Rassismus-Workshop, “Decolonize us”, der von stuvus und Greening organisiert wurde, haben wir gelernt, dass es wichtig ist, Personen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie sich als Schwarz, POC oder mit einem anderen Begriff bezeichnen würden. Des Weiteren sollte man Personen die Chance geben, eine Selbstbezeichnung wählen zu können, da Fremdbezeichnungen immer die Gefahr bergen, einer Person einer Gruppe zuzuordnen (oder Eigenschaften zuzusprechen), mit welchen Sie sich nicht identifiziert.
Wie gehen wir hier in einer weißen Mehrheitsgesellschaft mit Weißsein um? Mit dieser Frage beschäftigt sich die kritische Weißseinsforschung. In diesem Zusammenhang kann es dazu kommen, dass die Mehrheit Weißsein als Norm annimmt und somit von dieser Mehrheit nicht mehr wahrgenommen wird. Zudem kann eine Wertung hinzukommen, welche diese Mehrheit als Normal darstellt. Was mit Menschen geschieht, die dieser Norm nicht entsprechen kann im Artikel Weißsein als Privileg von Millay Hyatt im Deutschlandfunk nachgelesen werden.
Als die Spitze des Eisberges werden in dem Artikel offen rassistische Gewalttaten genannt, das eigentliche Problem jedoch liege tiefer und breiter, was bedeuten, dass sich alle Menschen mit eigenen rassistischen Denkmustern auseinander setzen müssten. Die umstrittene Autorin Robin di Angelo, nennt die Abwehrhaltung von weißen Menschen sich mit möglichen eigenen rassistischen Denkmustern auseinander setzen zu müssen White Fragility. Dieser Begriff wird genutzt, um zu beschreiben, dass Weiß-sein in vielen Gesellschaften nicht einfach gegeben ist, sondern mit gewissen Vor- und Nachteilen einhergeht. Strukturell bedingte Vorteile können als Privilegien bezeichnet werden. Ein Interview mit ihr findet ihr in der Zeit.
Vorwurf 2: Verharmlosung der eigentlich rassistischen Straftaten
Wie gehen wir mit damit um, wenn wir uns bewusst geworden sind, dass wir Privilegien genießen oder eben das genaue Gegenteil davon? Und wie entstehen Privilegien bzw. wie können wir diese vermeiden?
Hierbei ist der internalisierte Rassismus und die Verharmlosung von rassistischen Straftaten ein großes Problem. Eine Zusendung zu unserer Instagram-Reihe kritisiert, dass durch die Debatte über Alltagsrassismus, das eigentliche Problem, nämlich rassistische Gewalttaten von bekennenden Nazis, verharmlost werden würde. Unser Ziel mit den Posts zu Alltagsrassismus ist das Gegenteil davon, wir finden es wichtig darauf hinzuweisen, dass es Rassismus in Deutschland gibt und nicht pauschal geleugnet werden sollte.
Sénouvo Agbota Zinsou, togolesischer Autor und Theatermacher aus Bayreuth, schreibt dazu im Artikel Weißsein als Privileg, “Der (..) Neo-Nazi (…) stellt meines Erachtens eine geringere Gefahr dar – wenn er sich auf verbale Angriffe beschränkt – als der Intellektuelle, der Künstler oder Journalist, die bewusst oder unbewusst Klischees vermitteln (…)”. Hier werden als Beispiele Werbungen für Entwicklungshilfe und viele weitere Beispiele angeführt, die Vorurteile schüren und einem weit verzweigten Rassismus eine Grundlage bieten können.
Wie stark internalisierte Wertungen und Urteile in Bezug auf Hautfarbe und Herkunft in unseren Köpfen existieren, können und sollten wir regelmäßig prüfen, dazu laden wir ein und verweisen auf einen weiteren Beitrag im ZDF.
7. Quellen
[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/Rassismus
[2] https://rm.coe.int/09000016808b5aae
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus#Rassismusdefinition_nach_Albert_Memmi
[4] https://www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache
[5] https://weranderneinenbrunnengraebt.wordpress.com/glossar/
[6] https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/poc-person-color
Eure Beiträge
Beitrag Nr. 1 vom 02.10.20
Ich habe mich viel mit dem Thema Rassismus und Eugenik beschäftigt. Da ich selbst einen in der Türkei geborenen Vater habe, ist dies für mich vielleicht auch ein Stück weit eine persönliche Geschichte. Die Herkunft meines Vaters jedoch kann man eigentlich nur durch meinen Nachnamen erfahren, und auch nur dieser wird Opfer von rassistischen oder fremdenfeindlichen Äußerungen.
Ich bin geboren und aufgewachsen im Landkreis Esslingen, als kleine Anmerkung hierzu, in einer Gemeinde, in der es so gut wie keine wirkliche ausländische Community gab, bis 2015 dort ein Heim für geflüchtete Menschen eröffnet wurde. Vielleicht auch deswegen, habe ich Rassismus in meiner Gemeinde selbst bis vor 5 Jahren kaum wahrgenommen.
Seitdem dieses Heim existiert jedoch, muss man leider akzeptieren, dass die Gemeinde meiner Kindheit keine Ausnahme bildet. Ja es könnte schlimmer sein – allerdings ist jedes einzelne gesagte “Schwarzwälder”, eines zu viel.
Und dieses Wort und die Gerüchte bei jeder Straftat in meiner Gemeinde, es sei einer der Einwohner des Heimes gewesen, habe ich zu oft vernehmen müssen.
In diesem Ort setzen sich allerdings auch sehr viele Menschen für die Geflüchteten ein, der örtliche Sportverein macht enorm viel, die Grundschule ebenso. Ich möchte diesen Menschen gerne an dieser Stelle für Ihren Einsatz und Aufwand danken und wünsche mir, dass wir als Ort den Mut finden, solche Worte, wie das oben genannte, in der Öffentlichkeit zu kritisieren, denn nur so kann sich auch etwas verändern.
Zu meinen persönlichen Erfahrungen in meinem Leben das folgende: Ich habe Rassismus, bis zuletzt, nie wirklich in dem spezifischen Moment als Rassismus – oder fremdenfeindlich – realisiert. Das liegt aber auch daran, dass mein Aussehen keine Angriffsfläche für fremdenfeindliche oder rassistische Ausfälle zulässt. Ich sehe schlichtweg so aus, wie sich Menschen in Deutschland und auch im Ausland einen “deutschen” eben vorstellen.
Nicht in der Realschule, in der mein Klassenlehrer, ein scheinbares Fehlverhalten lustigerweise auf meinen vorhandenen Migrationshintergrund zurückführen wollte, noch wirklich als mein Religionslehrer anfing im ganz großen Stil gegen den Islam zu hetzen. Vielleicht noch der Hinweis für euch, dass ich kein Muslim bin, die Ausfälle meines ehemaligen Religionslehrers waren also so übel, dass man den Blödsinn selbst ohne großes Wissen über diese Religion durchschauen und als erschütternd empfinden konnte.
Als Kind und auch als Jugendlicher, denke ich, nahm ich das Ganze nicht wirklich als das wahr, was es ist: rassistisch und fremdenfeindlich.
Das erste Mal als ich Rassismus erlebt habe und im ersten Moment zwar gelassen war, im zweiten Moment aber merkte was dahinter steckt war folgender: Ich arbeite neben meinem Studium mit Kundenkontakt, vor allem auch telefonisch und via Mail. Letztens erhielten wir eine Mail als Antwort eines Kunden, in der er angab mit einem Herr “Yandöner” gesprochen zu haben.
Mein Nachname ist Yandemir.
Im ersten Moment habe ich darüber gelacht, im zweiten Moment aber realisiert, dass diese Person eigentlich nichts anderes gemacht hat, als das größte Klischee gegenüber türkischen Menschen in Deutschland in meinen Namen einzubauen, eine Tatsache die mich dann doch nachdenklich gemacht hat. Eine Tatsache die meines Erachtens auch kein unglücklicher Zufall oder ein Missverständnis sein kann.
Das Ganze geschah vor einem halben Jahr.
Ich möchte das ganze nicht dramatisieren, ich denke es existieren sehr viele Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt, die sehr viel schlimmere Erfahrung aufgrund dieses Überbleibsels der frühen Neuzeit erleben müssen. Wenn wir es als Gesellschaft aber nicht mal hinbekommen, Familien die in dritter, vierter oder gar bald fünfter Generation hier leben, als Teil der Gesellschaft zu akzeptieren, ohne solche Äußerungen oder Ansichten weiterhin aufrechtzuerhalten, wie wollen wir dann lernen, Menschen, die der Ansicht vieler nach, “nicht wie wir sind”, überhaupt zu akzeptieren?
Let´s talk about racism am 02.10.2020: https://www.instagram.com/p/CF2MfJbo4MY/
Beitrag Nr. 2 vom 07.10.20
Ich komme aus China. Rassismus gegen Chinesen ist keine neue Sache. Vor ein paar Wochen habe ich einen Rassisten in Stuttgart getroffen. Er hat mich angegriffen und der Grund ist einfach “Corona”. Er hat mich sehr geärgert. Aber ich habe mich gut zurückgehalten. Zum Glück hat mir ein Junge dabei geholfen. Er hat die Polizei gerufen und mit mir den Rassisten aufgehalten.
Nach dieser Erfahrung frage ich mich, soll ich den Mann einen “Deutschen” nennen und einfach sagen, die Deutschen sind alle Rassisten? Nein! Der deutsche Junge hat mir geholfen und eine deutsche Dame ist freiwillig als Zeugin dazu gekommen. Ich glaube, dass genau diese Reflektion einen Unterschied zwischen mir und dem Rassisten macht.
Man liebt Vorurteile, genauso, wie man es liebt, schlechte Sachen zu tun. Menschen zu schlagen, schimpfen, rauchen, … ist einfach. Man braucht kein Bachelorzeugnis, um richtig zu schimpfen.
Für Rassismus ist es auch so. Man braucht nur zu wissen: ‘Die Chinesen essen Hunde’, ‘Alle Chinesen sind hinterhältig’… Jemand sagt ‘So sind die Chinesen(usw.)’ andere sagen dann ‘Ja! Stimmt so!’ – eine typische Szene.
Ich glaube, dass der Schlüssel ‘Kommunikation’ ist. Mein erstes Master-Semester in Deutschland war letztes SoSe sozusagen schade. Ich hoffe in dem nächsten Semester werden mehr Veranstaltungen möglich. Es wäre auch schön, wenn wir Studierenden aus verschiedenen Ländern offen über Rassismus sprechen. Mindestens muss man Rassismus an der Uni so gut wie möglich vermeiden.
Let´s talk about racism am 07.10.2020: https://www.instagram.com/p/CGHx3DbMd9E/
Beitrag Nr. 3 vom 10.10.20
Was bedeutet es, als Schwarze in Deutschland aufzuwachsen?
Diese Frage lässt sich nicht in einem kurzen Instagram Post erklären. Eine Studentin hat sich die Mühe gemacht, ihre Erfahrungen in einem kleinen Buch aufzuschreiben.
Was wir schon mal vorwegnehmen können: die Universität erlebt die Studentin als vielfältigeren und offeneren Ort als zum Beispiel den Kindergarten oder die Schulzeit. Es ist doch schön zu wissen, dass wir auf unserem Weg nicht bei null anfangen. Aber lest selbst.
Let´s talk about racism am 10.10.2020: https://www.instagram.com/p/CGZ2UL_sdA6/
Beitrag Nr. 4 vom 24.10.20
Ich bin in Stuttgart geboren und aufgewachsen als Kind von jüdischen Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion.
In der Grundschule war ich stets einer der Besten. Eine Klasse habe ich auch übersprungen. In der vierten Klasse wollte mir meine deutsche Klassenlehrerin aber keine Gymnasialempfehlung geben, ich hätte es es auf der Realschule leichter und das würde eher zu mir passen. Meine Eltern mussten regelrecht darum kämpfen.
Auf dem Gymnasium wurde ich zeitweise stark gemobbt. Wirkliche Reaktionen gab es seitens der Schule nicht. Erst als mein Vater in der Schule Druck machte und darauf verwies, dass man das Wort “Jude” auch als Schimpfwort gegen mich verwendete, wurde mein Anliegen ernst genommen. Ich denke die Schule wollte nicht antisemitisch dastehen.
Später wurde das Wort “Jude” aber auch als ‘scherzhafte’ Beleidigung unter Freunden verwendet.
Let´s talk about racism am 24.10.2020: https://www.instagram.com/p/CGZ2UL_sdA6/
Beitrag Nr. 5 vom 06.11.20
Meine Eltern stammen beide aus Vietnam.
Aufgrund meines asiatischen Aussehens habe auch ich Rassismus erfahren,
wobei ich hier nur die einschlägigen Erfahrungen benennen will:
Kindergarten:
Ich habe in einem christlichen 100-Seelen-Kaff gewohnt (Baden-Württemberg), wo ein Kruzifix in jedem Zimmer und das Vater Unser am Morgen zur Normalität gehörten. Als einziges Kind, das nicht westeuropäisch aussieht, war es schwer sich mit anderen Kindern anzufreunden. Um genau zu sein: wenn wir in der Kostümecke Vater-Mutter-Kind spielten, war ich der Hund der Familie. Menschenunwürdig musste ich auf dem Boden kauern, aus dem Napf futtern und hatte nichts zu sagen. Es wurde immer das Spiel gespielt bei dem man mich ausgrenzen oder erniedrigen konnte. Natürlich war ich unglücklich und wollte nicht weiter in den Kindergarten. Über 1 Jahr habe ich täglich geweint und die Erzieherinnen wussten nichts besseres zu tun als mich in ein Nebenzimmer zu sperren.
Messe 2019:
Je weiter die Zeit voranschritt, desto toleranter und bewusster wurde mein Umfeld auf Themen wie Sexismus, Rassismus, Gleichstellung etc. Kinder sind schon grausam. Ein Messebesuch 2019 in Köln hat mich jedoch nachhaltig schockiert. Es war früh morgens, 7.00 Uhr. Mein Bruder und ich standen am S-Bahn Gleis um uns auf den Weg zur Messe zu machen. Ein Mann, Anfang-Mitte 30 mit nahöstlichem Aussehen, hat angefangen jede Frau am Gleis zu beleidigen: “Du dreckige Hure! Blondes Misttück!”. Viele Frauen haben nicht darauf reagiert und haben das Weite gesucht. Nun war ich an der Reihe: “Was guckst du?”. Ich sah hoch und wusste, dass ich just in diesem Moment in seine Falle getappt bin. “Guck weg!”, sagte er und baute sich vor mir auf, “Guck weg habe ich gesagt!”. Er kam immer näher. Aber irgendwas in mir wollte Idioten wie ihm keinen Raum in dieser Gesellschaft geben. Trotzig stand ich da und starrte zurück. Das hat ihm gar nicht gefallen. Er setzte zu einer Hasstirade mit allen Wortkombinationen an, die er kannte: “Schlitzäugige Schlampe! Gelbe Fotze! Geh zurück von wo du her gekommen bist!”. Es war sowohl rassistisch als auch sexistisch. Und keiner half mir. Ich suchte den Blickkontakt zum Mann gegenüber, der nur schockiert das Schauspiel beobachtete. Er registrierte meinen Hilferuf, brachte aber nichts weiter hervor als: “Jetzt aber…. Also… Sie…Na hören Sie mal…”. Ich sah mich nach anderen Personen um, aber alle waren gelähmt von der Intensität der Situation. “ICH HABE GESAGT DU SOLLST WEG GUCKEN!” Mittlerweiler war er schon so nah vor meinem Gesicht, dass ich seinen Atem riechen konnte. Ich dachte mir: “Gleich scheuert er mir eine und dann muss ich weinen.” Da hörte ich plötzlich: “HEY!”. Weit weit weg, vom anderen Ende des Gleises. Es waren Frauen, die er zuvor beleidigt hatte, die sich jetzt für mich stark machten! “Was sind denn das für Ausdrücke am frühen Morgen? Es sind Kinder anwesend!” Als wäre ein Knoten geplatzt, stellte sich ein großer, junger, sportlicher Mann zwischen mich und dem “Streitsuchenden”. “Alles ist gut.”, sagte er zu mir, “Guck einfach weg, ich regel das.” Die Situation entspannte sich kurz. Da fuhr auch schon die Bahn ein. Unglücklicherweise stiegen alle anwesenden in dasselbe Abteil ein. Mein “Retter” blieb in meiner Nähe, wärend der “Streitsuchende” weiter andere Frauen beleidigte. Schließlich suchten alle Frauen im Abteil Zuflucht beim “Retter”. Kurzerhand entschied er sich dazu die Polizei zu verständigen, woraufhin der “Streitsuchende” sich beklagte: “Bruder, warum tust du mir das an? Du bist doch auch Marokkaner. Das sehe ich doch. Warum musst du jetzt die Polizei rufen? Das brauchst du gar nicht. Die kennen mich schon.” Die Bahn fuhr in den Hauptbahnhof ein, wo die Polizei den “Streitsuchenden” abholen sollte. Kaum war die Tür geöffnet, sprang er raus und verschwand in der Menschenmenge.
Let´s talk about racism am 06.11.2020: https://www.instagram.com/p/CHQBEV6rNkT/
Beitrag Nr. 6 vom 15.11.20
Ich komme aus Mexiko und freue mich sehr über die Gelegenheit, hier in Stuttgart studieren zu können. Ich danke für den Raum, in dem die Menschen gehört werden können. Ich möchte die Art und Weise, in der ich Rassismus erlebt habe, teilen:
Mensa, Kopierlädle, Uni-Cafeterien und Frischemarkt (in der Reihenfolge der Intensität): Wenn gemerkt wird, dass man internationale*r Student*in ist und nicht alles auf Anhieb versteht, werden sie wütend und behandeln einen schlecht. Sie haben mich mehrmals wütend angeschrien. Meistens kommt der Ausdruck der Ablehnung in Form von Seufzen, Ungeduld und Unhöflichkeit zum Ausdruck, oder wenn man das Essen weniger höflich serviert.*
*Dies ist nicht nur an der Universität der Fall. Überall verzweifeln Menschen in Dienstleistungsberufen, wenn sie merken, dass sie vom geliebten Schwäbisch ins Standarddeutsche wechseln müssen, nicht einmal ins Englische.
Wasen 2019: Eine große Gruppe internationaler Studierender, mich eingeschlossen, stand als erste in der Schlange für ein Zelt. Erwähnenswert ist, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Karten gab. Einige Minuten später kam eine große Gruppe deutscher Studierender am Eingang des Zeltes an, schaute uns an und stellte sich vor uns auf. Wir erklärten, dass wir die Ersten seien, sie seufzten, ignorierten den Kommentar und einer von ihnen bekam Karten für den Rest (so dass weniger Plätze für uns übrig blieben). Der Typ am Schalter ignorierte uns auch, als wir ihm sagten, dass das nicht fair sei. Sie gingen alle hinein, während nicht alle Leute aus unserer Gruppe das Zelt besuchen konnten.
Arzt: Mir wurde ein Aufpreis berechnet, weil sie sich “extra Mühe” gaben, mich zu kontrollieren. Diese “Mühe” bestand darin, den Namen eines Muskels zu übersetzen und einen Satz auf Englisch zu sprechen, der Rest war ganz auf Deutsch. Ich betrachte das nicht als “zusätzliche Anstrengung”, auch habe ich den Rest der Termine nicht verschoben. Ich finde keine vernünftige Rechtfertigung für den Vorwurf.
Ich betrachtete die drei vorherigen Erfahrungen als Rassismus, denn obwohl sie nicht traumatisch sind, bin ich zuversichtlich, dass sie nicht passiert wären, wenn ich eine deutsche Frau gewesen wäre.
Ich finde es unfair, dass wir in Mexiko und andere tropische Länder Ausländer*innen mit offenen Armen empfangen und manchmal Europäer*innen wie Götter behandelt werden (ein Verhalten, das ich missbillige, einfach nur Respekt zu zeigen, ist mehr als genug). Der Punkt ist, dass wir Ausländer*innen im Anpassungsprozess helfen und sogar schlechte Spanischkenntnisse oder schlechte Wörter, die sie kennen, feiern.
Ich verlange nicht so viel Zuneigung als Gegenleistung, nicht einmal Hilfe, nur Toleranz.
Let´s talk about racism am 15.11.2020 https://www.instagram.com/p/CHh1tM0LM3h/
Beitrag Nr. 7
Hier einige meiner Erfahrungen. Ich habe nicht nur in Stuttgart studiert. Einige dieser Dinge treffen also nicht auf Stuttgart zu.
Der letzter letzte Platz ist frei: In Veranstaltungen mit wenigen freien Plätzen, ist der letzte freie Platz neben mir.
Maximaldistanz: Sitze ich vorn, sitzen alle anderen weiter hinten. Sitze ich hinten, sitzen alle anderen vorn. Sitze ich links, verteilt sich der Rest auf die rechte Seite. Sitze ich rechts, sitz der gesamte Rest auf der linken Seite, bildet sich um mich ein U oder O mit freien Plätzen.
Gesellschaftliche Konventionen gelten nicht: Man wird wahrgenommen, mehr aber auch nicht. Es gibt keine Gespräche. Man wird so gut es geht gemieden. Man selbst kann andere Leute ansprechen, umgekehrt ist es nie der Fall. Man redet mit mir nicht, weil es menschlich angemessen wäre, sondern rein, wenn man Lust dazu verspürt. Wenn Personen aufgefordert werden für einen Platz zu machen, passiert nichts oder man ziert sich. Es fällt auf: je mehr die Studierenden sich ähneln, desto eher gelingt die Kommunikation. Es gibt einen Hang zum Homogenen. Es kann schon vorkommen, an einem langen Tag, dass man ca. 8 Stunden kein Wort wechselt.
Ausnahmen:
1. Die Personen sind auf Zusammenarbeit angewiesen.
2. Man besitzt eine Autorität.
3. Man ist unterhaltend.Am schlimmsten: Gruppenarbeiten, in denen die DozentInnen das Teambildung allen allein überlassen. Man bekommt den schlechtesten Partner oder Partnerin. Man ist am Ende auch die schwächste Gruppe mit den größten Hürden. DozentInnen, die darauf angesprochen werden oder denen etwas auffällt, reagieren mit Ignoranz oder Unverständnis. Die Problematik ist DozentInnen, so scheint es mir, nicht bewusst.
In einem Fall habe ich eine Veranstaltung aufgrund solcher Umstände wiederholen müssen. Die Lehrperson ging einfach von nicht vorhandenen Problemen aus.
Bei Projekten, die nicht ausgeschrieben sind, kann es passieren, dass alle um einen herum eingebettet sind und man selbst nicht. Noten und Semester spielen bei der Auswahl keine Rolle. Überhaupt, wenn es um Karriere geht, ist man im Zweifelsfall ganz unten: man wird als letzte(r) gefragt und darf als erste(r) wieder ersetzt werden.
Diese Beobachtungen habe ich im Besonderen an Universitäten gemacht. Nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, Behörden oder dem Sportverein. Davon sind v. a. Studierende betroffen. Lehrende stufe ich, wenn es Probleme gibt, als wenig sensibilisiert oder uninteressiert ein.
Beitrag Nr. 8
Spanisch ist meine Muttersprache. Ich hatte das Glück, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der ebenfalls Spanisch sprach. Als Doktorand war ich schockiert, dass zwei meiner Kollegen in meinem Institut uns davon abhielten, Spanisch zu sprechen. Sie sagten uns, dass es ihnen unangenehm sei, dass wir Spanisch sprechen. Es sei unhöflich und wir sollten sofort aufhören. Wir versuchten zu erklären, dass es für uns einfacher ist, Spanisch zu sprechen, und wir schwierige Gefühle und Frustrationen ausdrücken, weil wir nicht zu Hause sind. Wir boten an, auf Englisch zu sprechen, in der Hoffnung sie würden sagen: “Das ist Deutschland, und in Deutschland spricht man Deutsch”. Wir hörten auf, öffentlich auf Spanisch zu sprechen, und die gesamte Kommunikation mit den beiden Jungs wurde eingestellt.
Nachdem ein Kollege in die USA abgereist war, kam einer der beiden deutschen Kollegen zu mir und sagte: “Das ist es, was Menschen aus dem Ausland mit diesem Land machen. Wir bilden sie aus, setzen Ressourcen in sie ein, und sie gehen danach einfach weg. Sie sind einfach undankbar”. Es war interessant, Süßigkeiten als Geschenk aus meinem Heimatland mitzubringen, besonders als einige Leute dachten, ich wolle ihnen Drogen geben und sie abhängig machen. Ich habe damit aufgehört.
Eine dritte Person aus dem Institut ärgerte sich wirklich über Doktoranden aus dem Ausland, weil wir besser bezahlt wurden als er und ihn bitten konnten, Aufgaben für uns zu übernehmen. Er hörte auf, irgendwelche Arbeiten für uns zu erledigen. Wenn wir etwas erledigt haben wollten, tat er es nur, wenn ich meinem Chef in der E-Mail mit den Anweisungen in den cc setzte.
Nach einigen Monaten teilte sich die Abteilung in Deutsche und eine kleine multikulturelle Gruppe von Menschen aus dem Ausland. Ich verließ die Universität, ohne mein Doktoratsstudium abgeschlossen zu haben. Es war sehr traurig, den Zustand der Fremdenfeindlichkeit im Alltag des Instituts zu sehen. Deshalb war es die beste Entscheidung meines Lebens.
Beitrag Nr. 9
Im Folgenden möchte ich meine Geschichte darlegen, sowie die erste Erfahrung mit Rassismus an der Uni Stuttgart.
Als gebürtiger Ukrainer kam ich im Jahr 2011 nach Deutschland, um im Jahr 2017 mein Abitur zu absolvieren und mich anschließend den Herausforderungen des Studiums zu widmen. Auf diesem Wege wurde mir stets geholfen, meine Wenigkeit in die ohnehin vielfältige Gesellschaft Deutschlands zu integrieren. Auch die Werte der Toleranz, Akzeptanz und Hilfsbereitschaft wurden mir von der o.g. Gesellschaft aufgetragen – schon damals, aber auch bis in die heutige Zeit lege ich stets einen großen Wert darauf, jedermann gleich zu behandeln und niemanden auf die Hautfarbe, Religion, politische Gesinnung oder Sexualität zu reduzieren. Nun musste ich feststellen, dass der Ausschuss für Gleichstellung und Diversity an der Universität Stuttgart diesen Werten, die ich mir als gebürtiger Ausländer aneignen konnte, offensichtlich nicht gewachsen ist. Ausgerechnet darauf bezieht sich meine erste persönliche Begegnung mit Diskriminierung im öffentlichen Raum, die ich mit dieser Email ansprechen möchte.
Ich war schon immer davon überzeugt gewesen, dass die Persönlichkeit und die Werte dieser einen Menschen ausmachen. Diesen Gedanken habe ich mit mir durch mein Leben getragen um schließlich festzuhalten, dass es im Stuvus auf die Art und Weise nicht gelebt wird. So wurde mit dem Begriff “white fragility”, der beiden Emails von Stuvus zu entnehmen ist, eine Art von Diskriminierung ans Licht geführt, der ich in der Form zum allerersten Mal in meinem Leben begegne. Sie sprechen in Ihrer Mail vom strukturellen Rassismus, der für mich nur durch diese Mail eine Gestalt angenommen hat.
Sie verlangen von mir, sowie weiteren Studierenden der Universität, eigene Denkmuster und Verhaltensweisen zu überdenken – dann ist es vielleicht auch für Sie eine Überlegung wert, im Kampf gegen Rassismus und für die Gleichstellung damit aufzuhören, Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund der weißen Hautfarbe Rassismus zu unterstellen. Meine Erfahrung zeigte, dass Rassismus als Denkmuster keine Mehr- oder Minderheit ausmacht, sondern lediglich einzelne Menschen jeglicher Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit.
In meiner weiteren Lebensbahn werde ich weiterhin versuchen, meine Werte der Toleranz und Gleichstellung an andere Mitglieder der Gesellschaft weiterzugeben. Es ist nur unangenehm zu realisieren, dass die dafür erschaffene Institution an der Universität mich aufgrund meiner Hautfarbe bereits zu Ihrem Feind gekrönt hat. An dieser Stelle bin ich der Gesellschaft dankbar, in der sich diese wundervolle Art von “Gleichstellung” nicht etabliert hat. Diese ermöglich es mir, gegen Rassismus vorzugehen – und zwar ohne Vorurteile, die mir der Stuvus in seinem angeblichen Kampf gegen einen gemeinsamen Feind auftragen möchte.
Ich bitte Sie, diese Schrift genauso publik zu machen, wie andere Erfahrungen mit Rassismus. Dabei berufe ich auf die Meinungsfreiheit und bin für eine sachliche Diskussion offen, falls der Stuvus in der Lage sein sollte, eigene “fragility” zu überdenken und von dem Denkmuster der bösen weißen Bevölkerung wegzukommen.